Interview zum Roman NULLEINS

NULLEINS

Redakteurin Myriam H.
im Gespräch mit
Astrid Sänger
Anfang 2022

Myriam: Ich war voller Vorfreude und gespannt auf ein weiteres Interview mit Dir, Astrid, denn diesmal geht es nicht um Wortspielereien und Reime, sondern um einen dreihundertseitigen Roman über zwei Zahlen.
Findest Du dazu ein kurzes Statement, bevor wir ein bisschen ins Detail gehen?

Astrid: Ich habe schon als Kind die Buchstaben den Zahlen vorgezogen und beim Schreiben selbst nicht schlecht gestaunt, was man über Eins und Null alles herausfinden kann. Die Digitalisierung, der der Binärcode mit seiner Symbolik Null und Eins zugrundeliegt, ist ein ernstes Thema, aber der Roman enthält auch viel Humorvolles und Sprachverspieltes.

Myriam: Die 54 Kapitel heißen z.B. lautmalerisch und doppeldeutig:
HermSMS und die Erkenntnismutation,
Schrittweises Schrott-Schreddern,
WWWehe, wenn ich an das Ende sehe
oder
Professor Weiß weiß.
Sie haben nicht immer einen direkten und chronologischen Zusammenhang, das mag manchen Leser aus der Bahn werfen. Ich fand die Überleitungen aber stimmig und abwechslungsreich und die Länge der Kapitel gerade recht vor dem Zubettgehen. Wenn es dann später immer spannender wird, dann habe ich mehrere Kapitel am Stück gelesen.

Astrid: Im letzten Teil des Buches sollen ja die auf zwei Schauplätzen alternierenden Handlungen das auf zwei Zustände vereinfachte System der Informatik widerspiegeln. Vorher gab es entsprechend mehr assoziative Vielfalt.

Myriam: Wir wissen ja schon, dass Du durch Deine Berufswahl die Computertechnik bewusst ausschließen wolltest, aber irgendwann hieß es auch im Kunsthandwerk, ohne Website mit Portfolio und aktiver Teilnahme an den Sozialen Medien ginge es nicht mehr. Also doch Multitasking, Wischtelefon-Stress und Burnout?

Astrid: Meine Sichtweise auf die Dinge ist ungewöhnlich, da ich keine Kinder habe, die in die immer technisiertere Zukunft spielerisch hineinwachsen, und kein Fernsehgerät, das mir die Neuigkeiten als notwendige Entwicklungen präsentiert. Ich bin bisher noch ohne Smartphone ausgekommen, benutze das Internet als Lexikon für Recherchen und schaue mir gern seriöse Diskussionen und Dokumentationen zum Thema an. Anders als manche digitalisierte Jugendliche kann ich noch halbwegs das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden und meine Zeit produktiv einteilen. Börnaud ist bei mir wirklich nur der Name des Protagonisten.

Myriam: Bernhard, der Langzeitarbeitslose ohne inneren Antrieb ist ein Antiheld. Fast findet man es schade, dass sein Gegenpol „Socke“ erst auf Seite 117 auftritt, der ihn durch physische Gewalt aus seiner Lethargie reißt und schließlich zu einem seelenverwandten Freund und Vorbild wird.

Gibt es diesen unbeugsamen, idealistischen Socke irgendwo in Deinem Lebensumfeld oder ist er nur ein Teil des Romankonzepts?

Astrid: Das kann man so nicht beantworten.
Alles in einer ehrlichen Geschichte gibt es auf die eine oder andere Art im eigenen Leben. Ich wäre womöglich gern selber der kompromisslose und weise Ratgeber, der unerschütterliche Optimist. Aber tatsächlich bleiben Sockes Wünsche, wie die Welt aussehen sollte, wohl unerreichbar und ein bloßes philosophisches Traktat.
Wo immer der Mensch seine Technologie, seine Kreativität und seinen Verstand zur Optimierung der eigenen Lebensumstände einsetzt, richtet er zugleich mehr oder weniger großen Schaden an, verschwendet Ressourcen oder produziert Müll, den die Welt bisher nicht gekannt hat.

Myriam: Dass Dein Roman trotzdem bis zuletzt diese augenzwinkernde Ironie behält, mag ich besonders.
Was mir aber noch ein Anliegen ist, ist die Frage nach dem Zielpublikum:
es gibt da Kapitel von relativ schwierigen mathematischen Themen und welche, die Küchengeräte und den Alltagskram einer Hausfrau beschreiben. Astronomie, Esoterik, Archäologie, Radsport und das Leben der Ameisen, ist das nicht alles ein bisschen viel für einen Roman über zwei Zahlen?

Astrid: Meine Intention war, einen recht breitgestreuten Leserkreis zu erreichen, auch Menschen, die bisher geglaubt haben, dass ihnen Mathematik oder Technik zu kompliziert sind. Jeder mit einem Händi in der Tasche sollte dessen Herstellungsweg und Arbeitsweise zu verstehen versuchen, denn er ist mitverantwortlich für den Zustand des Planeten.

Myriam: Danke für diesen passenden Schlusssatz!
Ich bin froh, dass ich dieses Interview mit Dir führen durfte und rate allen Menschen, die privat oder beruflich mit Büchern zu tun haben: 
Traut Euch vom industriellen Mainstream-Angebot einen Schritt zur Seite zu machen und kauft im Kleinverlag Beim Storchennest ein! Das Taschenbuch will mit 18.- € Ladenpreis und üblichen Handelsrabatten preislich mit den Großen mithalten können, aber es steckt so voller überzeugter Eigeninitiative, als wolle es dem „Socke“ aus dem Roman Recht geben, einem idealistischen Weltverbesserer.

Im Youtube-Kanal "Astrid Sänger" gibt es einen Teil des Romans in etwa 10 minütigen Etappen anzuhören.

In den Youtube-Beiträge über den Kleinverlag Beim Storchennest, den E-Manuell-e, die Rechte Hand der Chefin, macht, kommt auch der Roman NULLEINS vor. Mit Klick aufs Bild gelangen Sie zum entsprechenden Beitrag!